Jonas Lähnemann
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Gastarbeiter: Zuendstoff - nicht nur in Deutschland (18.7.2002)

Der gestrige Anschlag in Tel Aviv verlief trotz zwei Attentaetern vergleichsweise glimpflich. Am Vorabend des Fastentages Tisha Ba'Av muessen alle Kneipen und Cafes, Laeden und Restaurants geschlossen sein oder eine Strafgebuehr zahlen. Deshalb waren auch in Tel Aviv wenige Leute unterwegs - am Ort des Anschlages vor allem auslaendische Gastarbeiter. So kam es dass vor allem diese durch den Anschlag betroffen waren und ein Grossteil der Veletzten Gastarbeiter waren. Nun kam es dazu, dass einige sich nicht in Krankenhaeuser einliefern lassen wollten, da sie Angst haben, falls ihre Visa ablaufen, abgeschoben zu werden.
Die Problematik der Gastarbeiter ist eines der vielen Themen die in Israel durch den Nahostkonflikt in den Hintergrund gestellt werden. Nur liberale Medien berichten hin und wieder ueber deren Situation. Wie nach Deutschland kommen sie aufgrund der besseren Bezahlung, werden jedoch nur zeitweise geduldet und sind Menschen zweiter Klasse.
Seit Beginn der Intifida konnten viele der arabischen Arbeiter aus den besetzten Gebieten nicht mehr nach Israel. Dies wurde durch das vermehrte Einstellen von Gastarbeitern aus Suedostasien (besonders den Phillipinen), Osteuropa oder Suedamerika ausgeglichen. Sie arbeiten in der Industrie, dem Bau und der Landwirtschaft, aber auch in der Pflege von Alten und Behinderten. Die Aufenthaltsgenehmigungen sind streng geregelt, da man nichtjuedische Zuwanderung verhindern will. Viele bleiben aber laenger im Land - es gibt sogar Berichte, dass ihnen von Arbeitnehmern die Paesse weggenommen wurden und sie so vollstaendig abhaengig wurden.
Viele Gastarbeiter kommen alleinstehend nach Israel, lassen teilweise eine Familie zurueck, die sie finanzieren und jahrelang nicht sehen. Wenn die sie mit Familie in Israel sind arbeiten meist beide Ehepartner und sehen sich nur wenig. Kinder von Gastarbeitern haben es besonders schwer, teilweise haben sie sogar keine Staatsbuergerschaft (wenn sie in Israel geboren sind und die Eltern aus einem Land mit territorialem Staatsbuergerschaftsrecht kommen).
Ueber unsere Arbeit im sozialen Bereich kommen wir vor allem mit Arbeitern in der Pflege in Kontakt, die noch relativ gute Arbeitsbedingungen haben, dafuer aber teilweise 24-Stunden betreuen muessen. Ich habe einen phillipinischen Mann kennengelernt, der seit fuenf Jahren in Israel ist und seine Frau und Kinder nur alle 2 Jahre sieht, jedoch finanziert er so seine Familie und die Ausbildung der Kinder und spart sogar noch. Er arbeitet 13 Stunden am Tag, 6 Tage in der Woche, mit einer Woche Urlaub im Jahr. Die meisten freien Tage arbeitet er gegen Ueberstunden-Bezahlung. Dafuer bekommt er Unterkunft, Verpflegung und 800 Dollar im Monat. Im sozialen Bereich haengt viel von den Arbeitgebern ab, teilweise kommt zur Pflege von Behinderten noch die Haushaltsfuehrung der Familie hinzu. So sind einige nicht sehr engagiert, jedoch ist es erstaunlich wie die meisten in einer solchen Situation noch die Motivation erhalten koennen.
Obwohl sie in dieser Gesellschaft ausgegrenzt sind und wenn Kontakte, dann nur mit Landsleuten, haben ergaben Umfragen, dass die meisten von ihnen im politischen Konflikt hinter ihren Arbeitgebern stehen, ja teilweise erstaunlich rechts sind, waehrend genau dieses politische Spektrum es ablehnt etwas fuer die Verbesserung ihrer Situation zu tun.

Jonas Lähnemann

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