Jonas Lähnemann
home  |  physik  |  foto-galerie  |  kenia  |  israel  |  flevo-liegerad

Kleine Schritte zum Frieden (4.5.2002)
Ein Ta'ayush Solidaritätskonvoi zu den von Vertreibung bedrohten palästinensischen Bauern in den Süd-Hebroner Hügeln

Für Bilder siehe: Foto-Galerie/Südhebron

Über 60 Autos und ein Bus stehen auf einer kleinen Straße am südlichen Ende der Westbank - mehrere Polizei- und Militärjeeps versperren ihnen den Weg. In diesem Konvoi versuchen 300 israelische Friedensaktivisten der jüdisch-arabischen Gruppe Ta'ayush die lokale palästinensische Bevölkerung zu besuchen und bei der Getreideernte zu helfen. Diesmal hat die Gruppe Glück: Nach nur 20 Minuten Verhandlungen dürfen sie weiterfahren (in der Vergangenheit wurden sie von Siedlern, Militär und Polizei weitaus stärker behindert) . Die Autos biegen von der für die Siedler asphaltierten Straße ab und über Schotterpisten geht es zum ausgemachten Treffpunkt. Dort wird der Konvoi bereits von mehreren Dutzend Bauern erwartet; Bekanntschaften von früheren Besuchen treffen sich wieder und begrüßen sich herzlich. Gemeinsam geht es auf einfachsten Feldwegen mit den museumsreifen Traktoren der Palästinenser zu deren Feldern. Auf einem Hügel, wenige Kilometer entfernt, sieht man einen "Outpost" - einige Siedlerfamilien haben mit Campingwagen auf eigene Faust eine neue Siedlung gegründet und das Militär zieht nach, um diese Israelis zu beschützen.

Die Bauern in den Süd-Hebroner Hügeln leben meist schon seit ottomanischer Zeit auf diesem Land und bearbeiten es subsistenzwirtschaftlich. Ihre Wohnungen sind meist in den natürlichen Höhlen der Region, die teilweise durch Vorbauten ergänzt wurden. Weitere Bestandteile der Höfe sind Zisternen und einfachste Stallungen für die Schaf- und Ziegenherden. Weiterhin wird in den umliegenden Tälern an felsenlosen Stellen Getreide angebaut. Die kleinen Felder sind viel zu uneben um mit technischem Gerät zu arbeiten, so dass ein Großteil der Bewirtschaftung von Hand geschieht - so auch die Getreideernte.

Auf mehrere Felder verteilt hilft die Ta'ayush-Gruppe ein wenig - mehr symbolisch - bei der Getreideernte. Danach gibt es eine Versammlung, bei der die Bewohner und ihr Anwalt über die Lebenssituation und die Unterdrückung durch die Besatzungsmacht berichten. Der Termin des Solidaritätsbesuches am 4. Mai ist nicht zufällig gewählt, da für den 9. Mai vor dem obersten Gerichtshof Israels eine Verhandlung über die Zukunft dieser Bauern angesetzt ist.
Schon bei der Gründung Israels verloren diese Bauern einige ihrer Felder, da diese nach der Teilung des britischen Mandatsgebietes in Israel lagen, während sie selber in Jordanien lebten. 1967 eroberte Israel auch dieses Gebiet und dies führte zu weiteren Gebietsverlusten für die lokale Bevölkerung, da auf ihrem Land Militärbasen, Übungsgelände des Militärs und Naturschutzgebiete eingerichtet wurden. Dabei kam es auch zu Zerstörungen von Höfen und Vertreibungen der Einwohner. Ab den 80er Jahren wurden auch in diesem Gebiet Siedlungen gebaut, die aufgrund ihrer Lage in der Nähe der "Grünen Linie" offensichtlich einen territorialen Zusammenhang mit Städten in Israel herstellen sollen. Später wurde die gesamte Gegend zum Staatseigentum erklärt. Die Situation für die palästinensische Bevölkerung verschlechterte sich seitdem weiterhin, auch durch Belästigung von Seiten der Siedler, doch im Rahmen eines Status Quo durften sie in ihren Wohnhöhlen bleiben.
Im November 1999 und Juli 2001 kam es schließlich zu groß angelegten Vertreibungen, bei denen das Militär jeweils Wohnungen, Brunnen, Felder und Herden - die gesamte Lebensgrundlage - von einigen hundert Personen zerstörte. Die Bauern wurden am Wiederaufbau oder gar an der Rückkehr gehindert und Hilfsversuche von Menschenrechtsorganisationen wurden behindert. Jeweils konnten öffentliche Kampagnen und Beschwerden vor dem obersten Gerichtshof Entschärfungen, aber keine Klärung, der Situation ergeben, so dass die Zukunft dieser Bauern weiterhin ungeklärt ist. Die Aktionen des Militärs sind mit den Siedlern koordiniert: So geschahen die Zerstörungen 1999 zur Beruhigung der Siedler nach der Räumung einer illegalen Siedlung. Die israelische Regierung und das Militär versuchen, gedrängt durch die Lobby der Siedler, in diesem Bereich Fakten zu schaffen: Eine Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung würde den Weg frei machen, im Falle eines Friedensvertrages dieses Gebiet für Israel zu beanspruchen und bereits mit jüdischer Mehrheit zu erhalten. Nach Ta'ayush Angaben wäre dies ein erster "Transfer" der arabischen Bevölkerung, wie ihn Siedler für die gesamten besetzten Gebiete fordern - ein Präzedenzfall wie es in dieser Gegend die jetzt überall üblichen Hausdemolierungen waren.
Die palästinensischen Bewohner wollen einfach, wie seit Generationen, unbehelligt in ihrer an die Wohnhöhlen geknüpften Tradition leben. Trotz dem an ihnen verübten Unrecht zeigen sie keinen Haß und begrüßen die israelischen Friedensaktivisten herzlichst. Ta'ayush will den Bauern ihre Solidarität bekunden und gegen das ungerechte Vorgehen protestieren.

Jonas Lähnemann

zurück zur Israel-Seite
loading list of my articles on arXiv.org ...
Copyleft 2000-2019 by Jonas Lähnemann
Impressum / legal notice

Creative Commons License
unless stated otherwise