Jonas Lähnemann
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"Mekarer" heißt Kühlschrank (November 2001)
Erfahrungen bei der Arbeit mit körperbehinderten Jugendlichen in Jerusalem

Für Bilder siehe: Foto-Galerie/Beit Sefer Ilanot

Jonas Lähnemann, 19 Jahre, ist seit März 2001 ASF-Freiwilliger in Jerusalem. Dort ist er in einer Schule für körperlich Behinderte sowie in der Offenen Altenarbeit tätig.

Seit einem halben Jahr arbeite ich im "Beit Sefer Ilanot", einer Schule für körperlich behinderte Jugendliche in Jerusalem. Anfangs stellte die Sprachbarriere eine große Schwierigkeit dar, was sich mit den zunehmenden Hebräischkenntnissen inzwischen deutlich gebessert hat. Fortschritte in der Sprache brachten mir vor allem die Ausflüge und Sommerlager der Schule. Gleichzeitig festigten diese die Beziehung zu den Schülern und die Kontakte zu Mitarbeitern und israelischen Jugendlichen.
Der erste solche Ausflug war eine zweitägige Fahrt mit den älteren Schülern nach Galilea. Auf dieser Fahrt habe ich das hebräische Wort für Kühlschrank gelernt, als Scharon, einer der wenigen Schüler, die mit einem Laufgestell gehen können und nicht im Rollstuhl sitzen, mir nach vielen Versuchen klargemacht hatte, dass ich sein Bier in diesen stellen sollte. Durch seine Bitte, ihm zu helfen, lernte ich auch bald ein Pelephon (Handy) auf Hebräisch zu bedienen.
Im Sommer war ich dann auf zwei Sommerfreizeiten in Kibbuzim, jeweils war Jonathan dabei. Auf den ersten Blick scheint er hilflos, doch er ist geistig sehr fit, steuert seinen Rollstuhl per Kopf und kommuniziert über Plakate, auf denen mehrere hundert Wörter verzeichnet sind. Eine der Freizeiten fand gemeinsam mit den Teilnehmern von Peto statt, einem aus Ungarn stammenden Therapieprogramm, das auch bei einigen unserer Schüler angewandt wird. Wie das Gesamtkonzept in Ilanot versucht es den Schülern zu helfen, trotz ihrer körperlichen Einschränkungen größtmögliche Selbstständigkeit und Unabhängigkeit zu erreichen. Yoel zum Beispiel ist taubstumm und kommuniziert per Tastatur oder Zeichensprache. Er sitzt im Rollstuhl und braucht viel Hilfe, doch er besucht eine "normale" Schule und schließt diese gerade überdurchschnittlich gut ab.
Der Schulalltag im "Beit Sefer Ilanot" besteht unter anderem aus Physiotherapie, Musikstunden, Beschäftigung mit den Haustieren und Unterrichtsstunden, in denen Themen von Rechengrundlagen über Kochen und Backen bis hin zu Geschichten der Thora behandelt werden. Oft wird auch mit einzelnen Schülern gearbeitet, um diese speziell zu fördern. Die Schule hat ein Schwimmbecken, in dem sich die Jugendlichen sehr wohl fühlen, besonders da sie sich vom Wasser getragen freier bewegen können. Außerdem gibt es Computerräume, eine Keramikwerkstatt und einen Kunstraum, in dem erste Voraussetzungen für ein mögliches Berufsleben in Werkstätten geschaffen werden. Die Töpferwaren und Ergebnisse der verschiedenen Kunstklassen werden von den Schülern auf Bazaren verkauft.
Besonders beeindruckt hat mich die Arbeit mit Ölfarben. Als Vorlage dienen Gemälde bekannter Künstler oder Fotos. Einer der Schüler, Michael, hat mit dem Ölmalen gerade erst angefangen, kann den Pinsel nicht selber halten und auch die Hand nur mit großer Anstrengung bewegen. Doch da es sein Bild werden soll, unterstütze ich ihn nur beim Greifen des Pinsels. Die Ergebnisse, die im Schulgebäude ausgestellt werden, sind beachtlich, besonders bei den Schülern, die schon etwas mehr Übung haben.
Die Arbeit bietet mir außerdem einen Einblick in die vielfältige israelische Gesellschaft. So ging eine der Sommerfreizeiten über einen Sabbat, und da einige orthodoxe Juden unter den Mitarbeitern waren, habe ich über sie einen Einblick in die Sabbatregeln bekommen und erfahren, wie diese von verschiedenen Personen unterschiedlich gehandhabt werden. Solche Erlebnisse bieten einen ganz anderen Zugang, als sich in Deutschland theoretisch mit einem solchen Thema zu beschäftigen.
Selbst die politische Situation berührt einen während der Arbeit. Direkt damit konfrontiert war ich, als sich ohne mein vorheriges Wissen das Ziel einer einwöchigen Kibbuzfahrt als eine Siedlung in den besetzten Gebieten herausstellte. Ich habe daraufhin erklärt, dass ich aus politischen Gründen dort nicht arbeiten wolle und bin zurück nach Jerusalem gefahren, was zwar von den meisten Mitarbeitern akzeptiert wurde, aber trotzdem einige Wellen geschlagen hat. Zum Glück war die Betreuung ohne mich ausreichend, und es wirkte sich nicht negativ auf die Arbeitsatmosphäre aus.

erschienen in der ASF-Zeitschrift Zeichen (November 2001).

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