Jonas Lähnemann
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Rundbrief oder auch 1. Projektbericht aus Israel


Jerusalem, 1. September 2001

Liebe Foerderer, Freunde, Verwandte, Bekannte,

endlich komme ich dazu an meinem ersten Projektbericht zu arbeiten. Nach viel Abwesenheit in den letzten 2 Monaten habe ich jetzt die Zeit dafuer und ausserdem habe ich hier inzwischen einen Rechner geliehen bekommen, was mir das ganze sehr erleichtert.
Selbst der kurze Rundbrief an den Foerderkreis liegt inzwischen einige Zeit zurueck. Seitdem ist wieder so viel passiert und es gibt eigentlich auch von der Zeit vorher noch genug zu erzaehlen. Inzwischen bin ich ein halbes Jahr hier (und damit ein Drittel meines 18 monatigen Dienstes, unfasslich wie die Zeit vergeht), das ich wohl ohne Zoegern als das Erfahrungsreichste meines Lebens bezeichnen kann. Ohne Zweifel ist diese Zeit sehr praegend fuer mich und ich musste auch bisher wenig negatives erleben. So bin ich denn auch sehr froh, dass ich noch ein ganzes Jahr hier habe, denn es gibt noch so viel zu tun.
Gerade sind eigentlich die Eindruecke der Sommerlager mit unseren Schuelern und meine 10-taegige Reise nach Jordanien die aktuellsten, aber auch davor ist so viel passiert. Das Einfuehrungsseminar, das sich ueber 2 Monate erstreckte, liegt schon weit zurueck, aber es bot unglaublich viele neue Erfahrungen. Ausserdem beginnt naechste Woche ein neues Schuljahr was fuer mich vieles neues bringen wird und nachdem die alte Freiwilligengruppe (die ein Jahr vor uns gekommen waren) gegangen ist (der Abschied war teilweise nicht einfach), kommen in zehn Tagen neue ASF-Freiwilige (nur falls irgendwem nicht bekannt: ASF steht fuer „Aktion Suehnezeichen Friedensdienste") nach Israel. Dann gibt es natuerlich noch das Thema Sicherheitslage hier, wobei es schwer ist, dazu etwas zu schreiben, da das meiste innerhalb von Tagen, ja Stunden wieder voellig veraltet ist. Ich will aber trotz allem chronologisch zu erzaehlen anfangen.

Vor ziemlich genau 6 Monaten war also der Abschied aus Deutschland. Ich hatte das halbe Jahr Physikstudium in Marburg beendet und mich dort von den Freunden verabschiedet, um kurz darauf auch von den Freunden in Magdeburg Abschied zu nehmen. Alles noetige fuer eineinhalb Jahre wollte in 20 Kilo Gepaeck untergebracht sein, was nicht ganz klappte und meine Eltern brachten mir 6 Wochen spaeter bei einem Besuch nochmal so viele Dinge mit.
Dann war ich eine Woche in Berlin. Im Jagdschloss Glienicke trafen sich alle 40 neuen ASF-Freiwilligen zu einer Vorbereitung auf ihre Dienstzeit. 9 davon flogen am 8. Maerz mit mir nach Israel. In Berlin beschaeftigten wir uns mit den Projektbereichen, in denen wir arbeiten wuerden (fuer mich Behindertenarbeit), dem Holocaust (2 Tage im Haus der Wannseekonferenz) und verschiedenen Fragen (moegliche Konflikte, etc.), die mit einem so langen Auslandsaufenthalt zusammenhaengen. Neben diesem inhaltlichen Teil war es auch eine sehr schoene Zeit mit Gleichaltrigen; zu schade dass viele von ihnen auf dem Weg in ganz andere Ecken der Welt, oder zumindest Europas, waren.

Nachdem wir in Berlin noch Schnee hatten landeten wir am 8.3.01 nach wenigen Stunden Flug am spaeten Nachmittag in Tel Aviv und es war deutlich waermer hier. Ein Freiwilliger aus Tel Aviv und unser Laenderbeauftragter Martin (Tinus) Lempp begruessten uns, woraufhin wir gemeinsam nach Jerusalem fuhren. Dort warteten dann fast alle anderen Freiwilligen und es gab ein nettes Begruessungsessen. Obwohl wir alle recht geschafft waren sind wir noch gemeinsam an die naheliegende Promenade um von dort aus bei Nacht den Blick auf Jerusalems Altstadt zu geniessen. Unbeschreiblich, vor allem wenn man geistig noch laengst nicht in diesem Land angekommen war.
Daraufhin warteten 2 Monate Kurzsprachkurs in Hebraeisch kombiniert mit einem Seminar auf uns. Wo wir gegenueber anderen Laendern (mit 1 bis 2 Wochen Seminar) doch starke Vorteile haben. Untergebracht waren wir im beruechtigten 'Zriff' (zu deutsch Baracke, wird diesen Herbst wohl endgueltig abgerissen, auch wenn ASF das Geld fuer den Neubau einer Jugendbegegnungsstaette noch nicht ganz zusammen hat). Es liess sich dort wohnen auch wenn der Platz doch recht knapp ist fuer 10 Personen und man sich manchmal etwas sehr auf der Pelle hockt. Nach einer Weile habe ich auch angefangen, meist auf der Terasse der Pax ('Beit Ben Yehuda/Haus Pax' - das Haus, in dem das ASF Buero ist - liegt im Stadtteil Talpiot. Die Zriff ist hinter dem Haus) zu schlafen.
Ein paar Tage nach der Ankunft fing der Sprachkurs mit der sehr lebhaften und herzlichen Lehrerin Ruthie an, die eigentlich schon im Ruhestand ist (ehemals Professorin) und, was man ihr ueberhaupt nicht anmerkte, sich gerade erst von einer schweren Krankheit erholt hatte. 5 mal die Woche wurde morgens 3 Stunden in einem Schnelldurchgang alles wichtige aus der Grammatik sowie eine Menge Vokabeln durchgepaukt. Haengengeblieben ist zwar laengst nicht alles (auch unser Lernengagement in der Freizeit war sehr unterschiedlich), aber trotzdem war der Kurs sehr wichtig, um hier einigermassen klarzukommen. So langsam lerne ich denn auch Stueck fuer Stueck durch die Arbeit mehr Hebraeisch, aber ein Grundwissen war zumindest noetig und man hatte von einigen Dingen wenigstens schonmal gehoert. die dann spaeter einfacher zu lernen sind. Ivrith (das moderne Hebraeisch) ist fuer uns auch schwieriger zu lernen als die mit Deutsch verwandten Sprachen aus Europa.
Zur gleichen Zeit gab es nachmittags Vortraege, Diskussionen und Exkursionen. Grob zusammengefasst beschaeftigten wir uns mit dem Nahostkonflikt (vom Palaestinensischen Professor bis zum israelischen Siedler waren Referenten eingeladen), Holocaust (Yad Vashem Besuch und Zeitzeugengespraeche), unseren Arbeitsbereichen, sowie den verschiedenen Religionen hier (insbesondere natuerlich dem Judentum, so waren wir alle bei einem Sederabend, da Pessach waehrend dieser Zeit war). Auch besuchten wir einen Kibbutz und einen Vertreter der deutschen Botschaft. Die politische Einfuehrung war dabei denke ich mit das wichtigste. Der ganze Konflikt ist so Komplex und es herrscht eine solche Vielfalt von Meinungen und Interessen, dass auch sechs Monate hier nicht geholfen haben alles zu durchschauen. Man bekommt aber trotzdem einen viel besseren Einblick als nur durch die deutschen Medien, besonders wenn man mit beiden Seiten spricht und deren Argumentation hoert. Ich habe ausserdem jede Hoffnungen auf eine baldige Loesung des Konflikts verloren, die Interessen sind zu verschieden und es gibt zu viele Aspekte, die beachtet werden muessen. Dafuer verstehe ich, warum die Palaestinenser den Plan von Camp David abgelehnt haben.
In diese Zeit fiel auch Ostern mit seinen vielen Gottesdiensten und Prozesionnen hier in Jerusalem. Ein interessantes Erlebnis. Teilweise ein etwas belustigendes Spektakel (wenn ein paar Amerikaner mit plastikbehelmten Roemern den Kreuzweg nachspielen und dieses auf Englisch auskommentieren). Ausserdem waren meine Eltern fuer eine Woche zu Besuch und wir sind z.B. zusammen mit der Erloeserkirchengemeinde am Ostermontag nach Emmaus (bzw. zu einem der Orte, wo es moeglicherweise war) gewandert.

Ende April startete dann die Arbeit in meinen beiden Projekten, einer Behindertenschule sowie Altenarbeit. Ich hatte die Projekte zwar schon mal fuer einen Tag besucht, aber es war doch alles neu und ungewohnt.
'Beit Sefer Ilanot' (zu deutsch: 'Haus Buch Baeume', wobei 'Haus Buch' im hebraeischen fuer Schule steht) ist eine Schule fuer koerperbehinderte Schueler. Eigentlich alle sind mehr oder weniger spastisch behindert und sitzen im Rollstuhl oder brauchen zumindest ein Laufgestell. Viele koennen nicht sprechen und manchmal haben sie zusaetzliche Behinderungen (Autismus, ...). Die meisten aber sind geistig total fit, waehrend sie koerperlich sehr wenig koennen. So steuern einige einen elektrischen Rollstuhl mit Hilfe von Knoepfen die sie mit dem Kopf bedienen. Das Alter reicht von sechs bis 21 Jahren. Wir haben insgesamt etwa 50 Schueler in 8 (im neuen Schuljahr 9) Klassen und etwa so viele Mitarbeiter. Die Schule hat ein eigenes Schwimmbecken, Sport- und Physiotehrapieraeume, einen Keramik- und einen Kunstraum, Computerraeume, eine Kueche, etc.
Am ersten Tag kam ich in die Arbeit und fuhr erstmal gleich auf einen Ausflug ins Theater mit (wo ich eine andere Freiwillige traf, die mit einer anderen Schule gekommen war). Danach war ich den Rest des Tages in verschiedenen Klassen. Die naechsten Tage war ich jeweils in einer anderen Klasse, um diese kennenzulernen, bevor ich einen Stundenplan fuer den Rest des Schuljahres bekam. Langsam legte sich auch die doch recht grosse Unsicherheit der ersten Tage. Ich wurde erstmal keiner direkten Klasse zugeteilt, sondern habe nach Bedarf in verschiedenen Klassen geholfen. So war ich fuenfmal die Woche in oder am Swimmingpool (umziehen helfen, oder direkt mit Schuelern im Wasser). Dann war ich in drei Kunstklassen, in denen ich entweder nur der Lehrerin beim Farben verteilen, Kittel anziehen und aufraeumen half oder teilweise die Schueler auch etwas mehr unterstuetzen musste. Auch half ich bei der Nachmittagsbetreueung im 'Moadon' (Club) und kuemmerte mich in den Pausen um die Schueler. Dann war ich noch in einem Physiotherapieprogramm (PETO). Da blieb dann kaum noch Zeit in normalen Unterrichtsstunden zu sein, wo auch oft nicht so viel zu tun ist. Und natuerlich gehoert es auch dazu, auf der Toilette (gerade den aelteren Jungs soll nach Moeglichkeit von den wenigen maennlichen Mitarbeitern geholfen werden) und beim Essen zu helfen. Inzwischen esse ich sogar manchmal selber, waehrend ich jemand fuettere, der die Haelfte wieder ausspuckt; das haette ich mir am Anfang kaum vorstellen koennen.
Als ich mich nach einer Woche gerade so einigermassen wohl fuehlte, stolperte ich auf dem Heimweg, verstauchte meinen Ellenbogen und hatte erstmal fuer eine halbe Woche eine Gipsschiene. Ich war ein paar Tage nicht arbeiten und dann konnte ich erstmal auch nicht so richtig anpacken. Als aber 2 Wochen spaeter ein 2-Tagesausflug mit den aeltesten Schuelern war, ging es zum Glueck wieder so gut, dass ich mit in den Norden Israels fahren konnte (Uebernachtet wurde auf dem Gelaende der deutschen Moenche in Tabgha am See Genezareth). Es gab viel zu tun, aber auch viel zu sehen und erleben. Man lernt die Schueler bei jedem Ausflug und jeder Freizeit besser kennen.
Als sich mein Arm dann wieder gebessert hatte, ging es mit der Arbeit sehr gut weiter und ich habe mich schnell eingewoehnt. Waehrend ich vor Arbeitsbeginn noch etwas skeptisch war, ob es das richtige Projekt fuer mich ist, fuehlte ich mich schnell sehr wohl und kann mir inzwischen kaum eine andere Arbeit besser vorstellen.

Eine Woche nachdem ich in die Schule kam, habe ich auch mit der Altenarbeit angefangen. Esti vom Beit Rachel (einem Altenclub) hat mich zuerst Schmuel vorgestellt und einige Wochen spaeter dann auch Hanna und Edmund. Ich besuche sie jeweils einmal die Woche. Da sie alle alleine wohnen, geht es vor allem darum, dass sie Besuch bekommen und wir unterhalten uns einen Grossteil der Zeit. Hilfe im Haushalt bekommen sie meist von der Stadt Jerusalem, bzw. koennen vieles noch selber machen. Ich war aber auch schon mit Schmuel spazieren, habe Hanna zum Augenarzt begleitet oder mit Edmund angefangen, seinen kleinen Garten etwas zu ordnen. Alle drei sind um die 80 Jahre alt.
Schmuel kommt aus Polen und ist schon 1938 als Zionist nach Israel gekommen. Seine ganze Familie blieb zurueck und wurde im Holocaust ermordet. Seit vor 5 Jahren seine Frau gestorben ist, lebt er alleine und in den letzten Jahren machen ihm seine Beine zunehmend Schwierigkeiten. Trotz allem ist er sehr lebensfroh, hat einen netten Humor und versucht alles moegliche, um den Zustand seiner Beine zu verbessern (verschiedene Aerzte, Meditation, Feldenkreis). Manchmal singt er mir jiddische Lieder vor, von denen er leider so gut wie alle vergessen hat.
Hanna ist erst als Rentnerin aus Rumaenien (aufgewachsen ist sie in der Bukowina) nach Israel gekommen. Sie spricht selber kein Hebraeisch, dafuer aber sehr gut deutsch, franzoesisch und rumaenisch (sie war Lehrerin fuer diese Sprachen). Fuer sie ist es schwer, hier Leute zu finden, mit denen sie sich unterhalten kann, so dass sie sich freut mit mir Deutsch (ihre Muttersprache) sprechen zu koennen. Sie hat einen Sohn der mit seiner Familie in Ashquelon wohnt. Da ihre Augen immer schlechter werden und sie nicht so viel zu tun hat, ist ihre Lebensfreude nicht mehr so gross. Sie fragt mich immer wieder, ob es mich nicht langweilt, eine solche alte Dame zu besuchen und ich muesste doch nicht kommen, doch sie erzaehlt sehr gerne und viel - vor allem Geschichten aus ihrer Kindheit und von ihren Eltern und Grosseltern. Ausserdem schimpft sie ueber die Kommunisten. Frueher (zur Kaiserzeit) war ja auch alles besser. Neulich erzaehlte sie mir, dass ihr die Eltern des britischen Soldaten, der in Mazedonien umgekommen ist, leid taeten - wenn er doch wenigstens fuers Vaterland gestorben waere. Ueber die Jahre des 2. Weltkrieges hat sie bisher wenig erzaehlt, ausser ueber die Flucht vor den Soviets am Anfang des Krieges. Da ihr Vater vorher in der rumaenischen Armee war, hatte die Familie dort wohl gute Freunde, von denen sie Hilfe bekam.
Auch Edmund ist aus Rumaenien, kam aber etwas frueher nach Israel. Mit ihm verstaendige ich mich groesstenteils auf hebraeisch, da er kaum englisch oder deutsch kann. Es funktioniert schon relativ gut, aber fuer grosse Unterhaltungen oder Diskussionen reicht es noch nicht. Er hat 2 Toechter mit Familien in Jerusalem, die er uebers Wochenende besucht. Obwohl er der Aelteste von allen dreien ist, ist er am fittesten. Einmal die Woche geht er im Beit Rachel zum Englischkurs und ist auch sonst mehr als die andern ausserhalb des Hauses unterwegs. Er schaut uebrigends unheimlich gerne Fussballspiele im Fernsehen und schwaermt, dass er als Jugendlicher auch Fussball gespielt hat.

Nun zurueck zur Schule. Ende Juni ging das Schuljahr zuende, was mit Parties fuer die Schueler und Lehrer gefeiert wurde. Da einige Schueler ihre Schulzeit beendet hatten und jetzt in Behindertenwerkstaetten wechseln wuerden, war es auch ein Abschied fuer sie. Kaum zu glauben wie gut man sie in den 2 Monaten kennengelernt hat und wie schwer dann der Abschied war - gerade von Asaf, dem ich waehrend unseres Schulausfluges nach Galilea viel geholfen hatte.
Danach waren jedoch keinenfalls Ferien. Es folgte die sogenannte 'Keitana' (Sommercamp). Vormittags wurde fuer die Schueler ein Programm in der Schule angeboten, was von Schwimmbadbesuchen, ueber Clowns und Zauberer bis hin zu Ausfluegen in Parks reichte. Mit den aelteren Schuelern waren wir auch im obersten Gerichtshof. Sonst gab es Aktivitaeten, die sich zwischen Spielen und Lernen bewegten. Einmal die Woche half ich in der Keramik-Klasse und einmal in Kunst. Ausserdem fuhren verschiedene Schuelergruppen fuer je eine Woche in einen Kibbutz.
In Keramik werden Tongefaesse gegossen, glasiert und gebrannt, die dann zusammen mit Dingen aus dem Kunstunterricht auf Basaren verkauft werden. Dabei uebernehmen die Schueler je nach ihren Moeglichkeiten die diversen Aufgaben. Einige koennen nur mit Schaltern den Mischer fuer den Ton bedienen, waehrend andere fast selbststaendig die Glasur aufspruehen.
In Kunst hat mich besonders die Arbeit mit den aelteren Schueler fasziniert. Nach dem Vorbild eines Gemaeldes oder Fotos versuchen sie, dieses mit Oelfarben nachzumalen, manchmal ist ein wenig Erklaerung oder auch einfache Hilfe noetig, doch das meiste machen sie selbststaendig. Ich musste ihnen vor allem die Farben bringen. Die Ergebnisse sind beeindruckend, auch wenn sie nicht immer so grosse Aehnlichkeit mit dem Original haben. Es haengt sehr von den koerperlichen Moeglichkeiten der Schueler ab. Ihnen fehlt der Perfektionismus bei der Arbeit, der mir vermutlich ein so gutes Ergebnis unmoeglich machen wuerde. Die Bilder werden in der Schule aufgehaengt und teilweise mit Hilfe von Computern auf T-Shirts oder Karten gedruckt. Weiterhin werden Seidentuecher bemalt und Papier geschoepft.
Beim Schwimmen muss immer ein Mitarbeiter auf einen Schueler aufpassen. Die meisten Schueler sind in Schwimmreifen waehrend sie im Wasser sind, so dass man sie nicht die ganze Zeit halten muss. Vielen macht es sehr viel Spass wenn man mit ihnen durchs Wasser tobt oder auch nur gemaehchlich herumschwimmt. Waehrend des normalen Schuljahres sind meist noch Physiotherapeuten mit im Wasser, die mit einigen der Kinder Uebungen machen.
Inzwischen habe ich uebrigens auch schon gelernt ein Handy mit hebraeischer Schrift zu bedienen, da viele unserer Schueler ein solches besitzen (hier noch mehr verbreitet als in Deutschland) und einige davon manchmal Hilfe beim Waehlen haben wollen.

Ich sollte zu zwei einwoechigen Fahrten in Kibbutzim mitfahren und Anfang August nochmal fuer zwei Wochen zu einer anderen Sommerfreizeit. Bei der ersten Fahrt hatte ich mich nicht so direkt informiert, wo der Kibbutz liegt und durfte dann feststellen, dass es auch Kibbutzim in den besetzten Gebieten gibt. Wir fuhren in einem gepanzerten Bus mit Soldat an Bord ueber eine der Siedlerstrassen zu diesem Kibbutz. Ich habe einen Tag lang ueberlegt, bis ich mich entschloss, dass ich zurueck nach Jerusalem gehen wollte und mich am naechsten morgen dazu ueberwand, der verantwortlichen Lehrerin zu sagen, dass ich es ideologisch nicht tragen koenne, mich fuer eine Woche in einer Siedlung aufzuhalten. Da die Betreuung auch ohne mich ausreichend war, konnte ich dann nach ein paar Telefongespraechen auch nach Jerusalem zurueckfahren, wo ich schon nachmittags wieder in der Schule geholfen habe. Meine Entscheidung hat die Leute des Kibbutz und einige Mitarbeiterinnen der Schule (besonders die paar Siedlerinnen unter ihnen, von denen eine sich schon ueber den Begriff 'besetzte Gebiete' aufregte) sehr empoert, waehrend die meisten meine Entscheidung zumindest akzeptierten und ein paar sehr wenige mir sogar ihre Zustimmung kundtaten. Die Zusammenarbeit lief aber unbeeintraechtigt weiter und es weiss jetzt zumindest jeder, wo ich stehe. Ausserdem war das ganze auch eine interessante Erfahrung fuer mich.
Das naechste Sommercamp verlief dann ohne Probleme und wir hatten viel Spass mit den Schuelern. Der Kibbutz hatte ein tolles Programm auf die Beine gestellt und Jugendliche des Kibbutz halfen sehr viel mit den Schuelern, so dass es auch nicht sehr stressig war. Highlight war die Karaoke Show (nach dieser Woche konnte ich aber die israelischen Pop-Songs nicht mehr hoeren).
Die letzte Freizeit war in einem sehr kleinen Kibbutz in Galilea. Organisiert war es von dem schon erwaehnten Programm PETO, das aus Ungarn stammt. Man versucht den Kindern zu helfen alltaegliche Dinge (umziehen, essen, ...) moeglichst selber zu machen, was dann natuerlich immer etwas laenger dauert. Vormittags war eine Art Physiotherapieprogramm und nachmittags Baden, Musik, Kunst oder eine andere Freizeitbeschaeftigung. Viele Schueler brauchten relativ wenig Hilfe und waren geistig sehr fit. Einer zum Beispiel sitzt in einem elektrischen Rollstuhl, kann nur durch Zeichensprache oder Computertastaturen kommunizieren und braucht fuer alles, was er selber macht, ziemlich viel Zeit; aber er hat die Abschlusspruefungen einer normalen Schule hier in Israel exellent bestanden. So waren es zwei anstrengende, aber interessante Wochen, die mir sehr viel Spass gemacht haben und ich habe auch noch ein paar sehr nette Israelis kennengelernt (was hier sonst nicht einfach ist, da die meisten Gleichaltrigen im Militaer sind), die dort auch mitgeholfen haben.

Inzwischen hatten wir auch schon wieder ein einwüchiges Freiwilligen-Seminar zusammen mit den "alten Freiwilligen" zum Thema 'Palaestinensische Gesellschaft' Wir waren einen Tag lang in Bethlehem und Beit Jalla und einen Tag in Ostjerusalem. Zusaetzlich haben wir Filme geschaut, Vortraege gehoert und diskutiert. Zwar ging es meist um die Sicht der Palaestinenser auf den Nahostkonflikt, doch haben wir auch einiges ueber die Stellung der Frau bei den Palaestinensern und die Universitaeten, usw. erfahren. Bei den Diskussionen kam dann fuer einige von uns die Frage auf, ob wir mit unserer Arbeit nicht einen Staat unterstuetzen dessen politische Handlungen wir nicht tragen koennen und ob wir nicht 'auf der falschen Seite' helfen. Andererseits sind wir natuerlich als ASF-Freiwillige mit Sicht auf die deutsche Vergangenheit hier. Ein Thema, mit dem sich fast alle von uns auch ueber die Arbeitsbereiche beschaeftigen (Altenarbeit oder Archivarbeit). Als junger Deutscher wird man hier von allen Israelis gut akzeptiert (so weit meine bisherigen Erfahrungen), doch hoert man von manchen Israelis, dass sie Probleme mit aelteren Deutschen haetten (da sie nicht wissen was diese waehrend der Nazi-Zeit getan haben). Einigen ist es auch unangenehm, die deutsche Sprache zu hoeren und sie wuerden nicht nach Deutschland reisen. Auf der anderen Seite gibt es auch unter den Shoah-Ueberlebenden einige, die sich freuen, wenn sie mit jemandem Deutsch reden koennen. Auch Alfred wird als Senior-Freiwilliger (d.h. er hat sich im Ruhestand als ASF-Freiwilliger gemeldet) sehr gut akzeptiert - er arbeitet unter anderem mit Ueberlebenden. Ein Grossteil der Leute, die man trifft, hat mit Deutschen ueberhaupt kein Problem und manchmal muss man auch Reisetipps geben.

Die Schulferien (2. Augusthaelfte) habe ich genutzt, um fuer 10 Tage nach Jordanien zu fahren und dort auf eigene Faust zu reisen. Besonders Petra und das Wadi Rum haben mich begeistert, aber auch Amman und die Umgebung waren schoen. Auch von Israel habe ich inzwischen schon einiges gesehen, vor allem durch Wochenendausfluege (da man eigentlich fast ueberallhin einen Tagesausflug machen kann). Ich war schon mehrfach am Toten Meer (Ein Gedi, wo der Sternenhimmel bei Neumond sehr gut zu sehen ist und man sehr schoen in der Wueste wandern kann), in Haifa (leider im Sommer im Meer recht viele Quallen, was unangenehm werden kann), etc. Die bisher schoenste Wanderung war im Yehudia Tal am See Genezareth, in dem durch den dauerhaften Wasserfluss Oliander waechst, waehrend die Umgebung relativ trocken ist.
In Jerusalem nutze ich die Abende oft, um ins Kino zu gehen, da ich mir eine Jahreskarte gekauft habe und sonst haben wir in En Karem einen wunderschoenen Garten, in dem wir abends oft beisammen sitzen. Ausserdem gehe ich am Wochenende manchmal mit israelischen Freunden in eine Kneipe oder ein Café. In der WG (Wohngemeinschaft - wir wohnen mit 5 Freiwilligen in der unteren Etage eines alten arabischen Hauses in En Karem, am Rande von Jerusalem) klappt das Zusammenleben sehr gut, ausser den typischen Konflikten ueber Gemeinschaftsaufgaben. Wir verstehen uns super und unternehmen auch oft gemeinsam etwas. Leider wird Franziska jetzt aufgrund der Sicherheitslage zurueck nach Deutschland fahren.
Gerade das Attentat in Jerusalem vor 3 Wochen hat die meisten hier doch sehr betroffen. Waehrend ich im Kibbutz war und wenig mitbekommen habe, waren meine Mitbewohner hier und sind teilweise noch am selben Tag in der Umgebung des Anschlagortes vorbeigekommen. Auch die Eskalation der Situation in den darauffolgenden Wochen habe ich durch meine Abwesenheit anders erfahren. Als ich dann aus Jordanien wiederkam, war gerade Beit Jalla besetzt worden (auch die protestantische Kirche dort!) und es schwebten den ganzen Tag 2 Kampfhubschrauber ueber Jerusalem. En Karem liegt so in einem Tal, dass man die Schuesse von Beit Jalla nicht hoert, waehrend man zum Beispiel bei meiner Schule zumindest die israelischen Panzer und Raketen der Hubschrauber hoeren kann. Israelis,die in Gilo wohnen, hatten zu dieser Zeit schlaflose Naechte, waehrend man von palaestinensischer Seite hoert, dass ganze Familien sich fuer die Nacht unter einem Bett verstecken. Trotzdem geht man hier in Jerusalem seinen normalen Weg. Eigentlich unglaublich, dass dies ein paar Kilometer von diesen Auseinandersetzungen entfernt so moeglich ist; was auch immer wieder zum Nachdenken bringt und Diskussionen anregt. Inzwischen hat sich die Situation wieder etwas beruhigt, aber wer weiss, was die naechsten Tage bringen. Ich selber fuehle mich noch sehr sicher, nicht zuletzt da ich inzwischen ein Fahrrad habe (statistisch ist Radfahren hier gefaehrlicher als die Chance bei einem Bombenattentat verletzt zu werden, aber psychisch ist es doch eine ganz andere Sache), kaum Bus fahre und selten in die Innenstadt komme. Es ist da auch sehr hilfreich mit anderen Deutschen zusammenzuwohnen und mit ihnen ueber die Situation zu diskutieren.
In den letzten Monaten war ich auch schon ein paar mal bei den 'Frauen in Schwarz' und anderen Friedensdemos, sowie einer Fahrt zu illegalen Beduinendoerfern im Negev. Es ist einerseits aufbauend zu sehen, dass es Israelis gibt, die sich offen gegen die Besatzung aussprechen. Andrerseits ist es enttaeuschend, wie wenige es doch sind (meist nur einige dutzend oder vielleicht hundert und immer Auslaender darunter), die dies oeffentlich zeigen. Ich habe bisher leider zu viele, mir sehr unsympatische Meinungen gehoert, aber solange die Israelis die Palaestinenser unterdruecken, wird es auch fuer sie keinen Frieden geben.
Ein israelischer Freund von mir gehoert uebrigens zu den wenigen Kriegsdienstverweigerern hier, was einer Totalverweigerung in Deutschland gleichkommt, und wird deshalb jetzt vor'm Obersten Gerichtshof klagen; sonst droht ihm Gefaegnis. Es ist moeglich, aus religioesen Gruenden vom Militaerdienst befreit zu werden (Fuer Jungen, um Bibelstudien zu betreiben, Maedchen koennen einen Ersatzdienst leisten) oder ausgemustert zu werden (viele Israelis versuchen oft erfolgreich durch ein psychiatrisches Gutachten vom Militaerdienst befreit zu werden). Eine Verweigerung aus Gewissengruenden wie in Deutschland ist jedoch nicht moeglich. Eine Handvoll Israelis versuchen es jedes Jahr und kommen vor eine Gewissenskommision hochrangiger Militaers, doch nur selten erfolgreich.
Das Leben hier ist sicher nicht so gefaehrlich wie es manchem in Deutschland aus den Nachrichten erscheinen mag, doch ist es unbestreitbar, dass man mit diesem Thema immer wieder im Alltag konfrontiert wird und sich so recht viel damit beschaeftigt.

Noch ein kleiner Ausblick auf die naechsten Wochen. Anfang September beginnt das neue Schuljahr. Ich werde jetzt einer Klasse mit 4 Jungen im Alter von 15-16 Jahren zugeteilt. Die Lehrerin ist noch recht jung und ausserdem hilft eine Mitarbeiterin aus Russland in der Klasse. Zusaetzlich werde ich aber noch im Schwimmbad, in Keramik und beim Physiotherapieprogramm PETO helfen, so dass ich nicht immer in der Klasse bin. So wird mir durch die Vielfalt der Aufgaben wohl nicht so bald langweilig werden. Ausserdem kommen am 10. September die neuen Freiwilligen an, die danach 2-Monate ihr Einfuehrungsseminar haben, und im Oktober steht das 40-jaehrige Jubilaeum von ASF in Israel an, zu dem wir schon das Programm planen.

Ein weiterer Projektbericht steht dann wieder in einem halben Jahr an, ich werde mich aber hoffentlich vorher nochmal in einem Rundbrief melden.

Wie unser Laenderbeaufragter in einem Lied zum Ende unseres Einfuehrungsseminars formulierte:
"Ese kef, ese kef, midnadew bei ASF"
(Ist das schoen, ist das schoen, Freiwiliiger bei ASF)

Ich wuensche Euch allen eine schoene Zeit in Deutschland und vielleicht kommt mich ja auch der eine oder andere hier besuchen (es ist noch ein Jahr Zeit).

Viele Gruesse,
Euer Jonas

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