Jonas Lähnemann
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Stein auf Stein, ... Wiederaufbau arabischer Häuser in Ost-Jerusalem (28.7.2002)

Für Bilder siehe: Foto-Galerie/Anata

In arabischen Sammeltaxen fährt eine Gruppe israelischer und internationaler Friedensaktivisten durch Annata, ein Dorf innerhalb Ost-Jerusalems. Die 40 Aktivisten vom "Israelischen Komitee gegen Hauszerstörungen" wollen an diesem Tag am Wiederaufbau zweier durch die Stadt Jerusalem eingerissener Häuser arbeiten. Die Straßen sind eng und schlechter Qualität. Am Straßenrand liegt Müll, da die Müllabfuhr nicht ordentlich funktioniert. Trotz der weitaus schlechteren Infrastruktur zahlen die Bewohner Ostjerusalems die gleiche Arnona, die Stadtsteuer für Müllabfuhr, Straßen und andere Einrichtungen.
Das eigentliche Ostjerusalem war vor 1967 nur die Altstadt und die Stadtviertel auf dem östlich gelegenen Ölberg. Nach der Besetzung und Annektierung erklärten die Israelis ein weitaus größeres Gebiet zu Ostjerusalem - dieses war ein vielfaches der eigentlichen Größe und enthielt noch eine Menge weiterer arabischer Dörfer. Die großen brachliegenden Gebiete ohne Bebauung wurden zur Grünflache erklärt, so dass Ostjerusalem mehr "Grünflächen" hat als jede andere Stadt - bebaut werden dürfen diese allerdings nicht. Für jüdische Siedlungen in Ostjerusalem sind jedoch problemlos Genehmigungen zu erhalten, sie sind sogar offizielle Stadtpolitik. Arabische Bewohner, die im Gegensatz zu anderen Teilen Israels hier keine volle Staatsbürgerschaft besitzen, können so gut wie keine Genehmigungen bekommen. Auf diese Weise wird versucht, die arabische Bevölkerung Ostjerusalems zu vermindern und das ganze Gebiet durch Siedlungen zu zerstückeln - in Ostjerusalem wohnen ungefähr 200.000 jüdische Siedler, fast genauso viel wie in der gesamten Westbank - , und so bei einem Friedensabkommen die Rückgabe Ostjerusalems zu verhindern bzw. einen Friedensvertrag zu blockieren. Bei den Verhandlungen in Camp David wurde zwar zum ersten Mal Ost-Jerusalem den Palästinensern zugesprochen, ein Blick auf die entsprechende Karte zeigt jedoch: Barak wollte die arabische Bevölkerung loswerden und hat deren Stadtviertel als "Inseln" ohne jeglichen Zusammenhang angeboten. Das konnten die Palästinenser nicht annehmen.
Palästinenser, die versuchen in Ostjerusalem zu bauen haben erhebliche Schwierigkeiten eine Baugenehmigung zu bekommen. Wenn diese mehrfach aus meist recht fadenscheinigen Gründen abgelehnt wurde, entschließen sich viele zum illegalen Bauen als einzig verbleibende Möglichkeit. Nach Fertigstellung droht diesen Häusern jedoch der Abriß durch die Stadtverwaltung, die dies auch rigoros durchsetzt. Hunderte von Häusern wurden so schon unter großem Polizeieinsatz von Bulldozern eingerissen, die Familien mit ihrem Hab und Gut oft gewaltsam aus ihrer Wohnung geholt. Hier setzt das "Israelische Komitee gegen Hauszerstörungen" an. Sie stellen sich in gewaltfreien Aktionen den Bulldozern und der Polizei in den Weg, sofern sie von den Zerstörungen erfahren und rechtzeitig Aktivisten mobilisieren können. Außerdem wurden in der Vergangenheit schon mehrere Häuser symbolisch wieder aufgebaut. Dabei gab es finanzielle Unterstützung des Komitees und praktische, jedoch eher symbolische, Hilfen beim Bau.
In den letzten Monaten hat das Komitee eine neue Kampagne gegründet. Durch Hausparties in den USA und Europa soll Geld für den Wiederaufbau von Häusern gesammelt werden. Dabei laden Unterstützer in diesen Ländern Freunde zu einer Party ein, bei der sie über die Kampagne und Aktionen der israelischen Aktivisten informieren und danach um Spenden bitten. Dabei sind durch 60 Veranstaltungen bereits 50.000 Dollar zusammengekommen. Erklärtes Ziel für dieses Jahr sind eine Million Dollar, mit denen 20 Häusern aufgebaut werden könnten. Mit den ersten Geldern wird bereits an 2 Häusern gearbeitet. Eines davon ist fast fertiggestellt, am zweiten wurde erst vor kurzem mit den Arbeiten begonnen.
Das Haus von Salim Sha'amreh wurde in den letzten Jahren bereits 3 mal eingerissen und er baut es nun zum vierten Mal wieder auf. Er selbst ist Bauingenieur und hat in Saudi Arabien studiert. Mit dort verdientem Geld kaufte er sich Land und nach vergeblichen Versuchen eine Genehmigung zu bekommen hat er illegal gebaut und sein Eigenheim auch nach jeder Zerstörung wieder neu errichtet. Beim letzten Mal wurde sein Haus nicht nur vom Bulldozer eingerissen, sondern auch das Fundament mit einem Bagger demoliert. Jetzt hat er völlig von neuem begonnen. Die israelischen und internationalen Friedensaktivisten die ihn am 26. und 27. Juli besuchten, halfen beim Bau einer Grundstücksmauer und der Konstruktion eines neuen Fundaments.
Nur wenige Meter von Salim's Haus entfernt ist ein weiteres abgerissenes Haus. Sämtliche Mauern sind über dem Fundament zusammengestürzt. Ein Stückchen weiter ist die Grenze zum teilautonomen "B-Gebiet". Dort stehen aufgrund des Platzmangels hohe Häuser, jedoch ohne die Gefahr der Beschädigung, da die Stadt Jerusalem hier nicht mehr verantwortlich ist. Wer hier wohnt hat dafür nicht die Ost-Jerusalemer "Privilegien", wie den israelischen Personalausweis.
Diese Thematik ist eines der Problemfelder, die durch den derzeit eskalierten Konflikt in den Hintergrund gedrängt sind. Andere Fragen sind derzeit dominant und lenken von der alltäglichen Benachteiligung der arabischen Bevölkerung ab, doch genau diese ist ein entscheidendes Hindernis auf dem Weg zu einer Lösung und schürt den Konflikt.
Das "Israelische Komitee gegen Hauszerstörungen" will nun die Aufbau-Kampagne erweitern und es in Zusammenarbeit mit palästinensischen Gruppen ermöglichen einige durch die israelische Armee in den Autonomiegebieten eingerissene Gebäude neu zu errichten. Dafür ist weitere Unterstützung in der Fundraising-Kampagne nötig.
Weitere Informationen sind im Internet unter http://www.icahd.org und http://www.rebuildinghomes.org zu finden. Außerdem besteht die Möglichkeit sich an den Autor oder als Vertreter des Komitees an Fred Schlomka (fred[at]musicmax[punkt]com) zu wenden.

Jonas Lähnemann

Jonas Lähnemann arbeitet derzeit anstelle eines Zivildienst in einer israelischen Behindertenschule und hat enge Kontakte zu israelischen Friedensgruppen.

erschienen in Neues Deutschland, 7.8.2002.

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