Jonas Lähnemann
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Weihnachtsrundbrief
Nairobi, den 25.12.2004

Liebe Freunde, Verwandte und Bekannte,

Eigentlich habe ich ja bisher meine E-Mails chronologisch geschrieben und eigentlich wollte ich jetzt mehr ueber die Uni schreiben. Aber da sind mir diesmal die Berge dazwischen gekommen. Direkt nachdem vor einer Woche die Weihnachtspause an der Uni begann sind Christopher, Sebastian und ich mit einer Gruppe Kenianer (und einer Amerikanerin) zum Mount Kenya aufgebrochen. Die Tour wurde von Mitarbeitern des French Cultural Centers organisiert und von der Mount Kenya School of Adventure (durch)gefuehrt. So viele Kenianer am Mount Kenya ist schon etwas besonderes, wird der Berg doch meist von Touristen bestiegen, und so hatten wir die Chance einige sehr nette Bekanntschaften zu machen - und solch eine Wanderung schweisst zusammen. Wir waren neunzehn, darunter auch einige im wandern Unerfahrene, aber wegen der Hoehenluft war es nur gut, dass wir nicht zu schnell vorankamen und uns akklimatisieren konnten. Ueber die Timau-Route auf der leeseitigen (und damit trockensten) Nord-Ost-Seite des Berges, die sehr wenig begangen wird, so dass wir bis zum Shipton-Camp am Fusse der Gipfel keinen anderen Wanderern begegnet sind, ging es hoch. Von Nairobi aus haben wir zu diesem Camp fuenf Tage gebraucht, wobei wir am ersten Tag nicht viel gewandert sind und am dritten Tag zur besseren Akklimatisierung nur ein wenig geklettert sind. Dabei ging es erst ein wenig durch (tropischen) Wald und spaeter durch Strauchland und vor allem durch Moorlandschaften. Am morgen des sechsten Tages sind wir Nachts um zwei zum Gipfel aufgebrochen um nach einem letzten steilen und wegen der Hoehenluft langsamen und anstrengenden Aufstieg (leider nicht mit der ganzen Gruppe) am Point Lenana, dem dritthoechsten und einzig ohne technisches Klettern machbaren Gipfel, anzukommen. Auf dem Gipfel in 4985m Hoehe angekommen (Point Batian und Nellian sind nochmal fast 200 Meter hoeher) war dann aber all die Anstrengung vergessen und auch die Kaelte, denn es waren bestimmt Minusgrade. Der Sonnenaufgang ueber den Wolken hat fuer den Aufwand belohnt. Das letzte Stueck war es nur noch ueber eine Geroellwueste und spaeter dann Schneeflaechen gegangen - beim Abstieg ins Camp sind wir dann teilweise die Schneepisten runtergeschlittert und ich hatte so fast weisse Weihnachten (denn der Gipfeltag war der 23.), weisser als wohl an manchem Punkt in Deutschland. Am gleichen Tag sind wir noch ueber die Sirimon-Route bis zum Parkeingang gewandert und am 24. dann wieder nach Nairobi gefahren. Das Wetter hat uns sehr gut mitgespielt und ausser vereinzelten Tropfen sind wir nur einmal in etwas Hagel gekommen. Dafuer war es nachts sehr kalt, doch wir Deutschen sind da etwas mehr gewohnt und ausserdem waren da mein Schlafsack und meine Isomatte doch etwas besser, als was die Kenianer zur Verfuegung hatten, doch in Europa waere es wohl schon viel geringeren Hoehen so kalt und verschneit. Der Berg liegt uebrigends so, dass wir bei Auf- und Abstieg ueber den Aequator gekommen sind. Da wir so viel Zeit hatten, habe ich keine Probleme mit der Hoehe gehabt und nur beim Abstieg leichte Kopfschmerzen bekommen und mit der netten Gruppe und der schoenen Landschaft hat das ganze einfach unglaublich viel Spass gemacht. Insgesamt war es auf jeden Fall die bisher schoenste Woche in Kenia. Und dann habe ich jetzt wieder einen Fotoapparat (danke Lea fuer die Botendienste und Johannes fuer das organisatorische in Berlin) der extensiv genutzt wurde. Ich hoffe ich schaffe es im Januar mal ein paar Bilder einzuscannen und auf meine Webseite zu setzen.
Am liebsten waere ich ja gleich dort geblieben und nach der Rueckkehr nach Nairobi wollte ich eigentlich nur zurueck und raus aus der lauten und stinkenden Stadt (wer zu Besuch kommt, wozu weiterhin alle herzlich eingeladen sind, riskiert auf diesen Berg geschleppt zu werden!). Aber ich werde ja jetzt schon wieder nach Tansania fahren um die restlichen Ferien zu geniessen. Nachdem wir von so vielen Leuten umgeben waren, war die Rueckkehr ins jetzt fast voellig leere Studentenwohnheim schon ein wenig komisch. Aber auch ganz witzig in seinem kleinen Zimmer in diesem grossen Gebaeude seine Ruhe zu haben. Wir duerfen hier zwar als Ausnahmefall bleiben, aber da der Hausmeister und der Nachtwaechter ihre Anwesenheit nicht allzu genau nehmen ist es auch nicht immer moeglich rein- oder rauszukommen, wenn die Tuer abgeschlossen ist (ein weiterer Grund moeglichst bald auf Reise zu gehen). Zu Weihnachten zwar gewissermassen verstaendlich, aber auch sehr nervig, insbesondere da keine definitiven Aussagen zu ihrer Anwesenheit herauszubekommen sind. Immerhin haben wir den erst recht unfreundlichen Nachtwaechter mit einem Teller Essen zum Heilig-Abend freundlicher gestimmt. Den heiligen Abend (hier wie in vielen Laendern weniger wichtig als in Deutschland) und auch den heutigen Weihnachtsfeiertag haben Sebastian, Christopher und ich im kleinen dreier Kreis mit gutem Essen und Wein in unseren Zimmern begangen. Sebastian war gestern in einem Gottesdienst und heute wollten wir eigentlich nochmal, aber zum Glueck hatte ich mich dann doch fuers Ausschlafen entschieden, denn wir kamen eben nicht aus dem Gebaeude raus.

Ich sprach von BergeN: Zwei Wochen vor dem Mount Kenia haben Sebastian und ich den 4100m Hohen Mount Elgon (ein erloschener Vulkan, wie auch der Mount Kenia, an der ugandischen Grenze mit Gipfeln auf beiden Seiten) bestiegen - auch das schon eine sehr sehr schoene Erfahrung. Eine Schwedin, die wir an der Kueste getroffen hatten, hatte uns gefragt ob wir mitkommen wollten und da die Uni in den vorangegangenen Wochen etwas deprimierend war (dazu gleich mehr) haben wir dafuer auch zwei Vorlesungstage sausen lassen. Das Projekt fing zwar mit einer 15-stuendigen, ur-kenianschen Rekordwartezeit an, denn unser Guide kam durch einen Unfall seines Matatus (Sammeltaxi) auf dem Weg nach Nairobi so viel spaeter (uebrigends auch auf dem Weg zum Mount Kenia kam unser Bus drei Stunden spaeter als ausgemacht zum Treffpunkt). Aber ans Zeit totschlagen mit Zeitungslesen, etc. hat man sich hier inzwischen gewoehnt und da ist es dann auch von Vorteil in einer Gruppe zu reisen und Gespraechspartner zu haben. Im Nationalpark mussten wir noch zwei bewaffnete Ranger zur Begleitung anheuern (zum Schutz gegen Bueffel), was auch erst fuer den naechsten Tag ging und so haben wir die geplanten 4 Tage wandern in Dreien bewaeltigt (13, 25 und 30 km, mit Gepaeck). Durch einen tollen Wald und spaeter Strauchland ging es erstmal nach oben und nur das letzte Stueck war ein Moor wie am Mount Kenia. Der kenianische Gipfel lag bei unserem Aufstieg in den Wolken, aber am naechsten Morgen haben wir von unserem Zeltplatz aus einen tollen Sonnenaufgang auf Wolkenhoehe genossen. Nur in dieser einen Nacht haben wir ueberhaupt einen anderen Reisenden getroffen, der mit seinem Allradantrieb bis zu diesem Punkt gefahren war (auch die Ranger liessen sich ihr Zelt hierher fahren).

Nachdem ich aus Uganda zurueckkam hatte ich ja nicht gleich mit dem Start der Uni gerechnet. Am ersten Wochenende war eine von Naturwissenschaftsstudenten organisierte Konferenz zum Stellenwert der Naturwissenschaften in der Gesellschaft. Ein tolles und einmaliges Projekt, das leider bei zu wenigen Studenten neben den Organisatoren auf Interesse stiess, aber es war ja bloss das erste mal. Wir haben an einem Stand auch unser Austauschprogramm vorgestellt. Da wurde mir klar, dass Deutschland nicht unbedingt das austauschfreundlichste Land ist, denn Studiensprache ist ja fast ueberall Deutsch, und dass die Bachelor-, Master-Einfuehrung in diesem Bereich auch ihr gutes haben wird, was die Kompatibilitaet angeht. Allzu konkrete Auskunft konnten wir auch nicht geben, da unser Austauschprogramm nur fuer Physikstudenten ist und die Foerderlage fuer naechstes Jahr noch nicht klar ist: Derzeit stehen keine Stipendien vom DAAD zur Verfuegung, da die Studenten der Vergangenheit nicht primaer nach ihren Noten ausgewaehlt wurden und eben nicht immer zu den allerbesten gehoert haben, scheinbar dem Hauptkriterium des DAAD - schade denn wir sind wahrscheinlich die einzigen deutschen Studenten an einer kenianischen Uni (ueberhaupt gibt es nur einige Dutzend Auslaender und in den Naturwissenschaften haben ich noch keine kennengelernt) und dabei ist Kenia immerhin eines der stabilsten Laender der Region und Nairobi mit seinen ganzen UN-Instutionen und als Wirtschaftszentrum, noch am meisten westlich ausgerichtet. Auch aus Kenia sind nur 400-500 Studenten in Deutschland, verglichen mit 3000 aus Kamerun. Naja, beim Zustand der hiesigen Uni (wie gesagt derzeit bin ich da sehr deprimiert, aber das kann sich hoffentlich noch etwas aendern) ist das auch nicht voellig ueberraschend, aber das wird anderswo in Afrika nicht unbedingt besser sein. In der zweiten Woche sind wir immerhin an unseren Stundenplan gekommen und in der dritten Woche tauchten die Dozenten dann sogar zu fast allen Vorlesungen auf. Aber auch seitdem sind mehrere Vorlesungen ausgefallen - die Lehre scheint fuer einige keine ausreichende Prioritaet zu haben, denn auch sonst sind die Veranstaltungen teilweise etwas lieblos. Eine Vorlesung zu Quantenmechanik habe ich gleich aufgegeben, nachdem der Dozent zu meinem Schock ein Diktat veranstaltet hat und nur hin- und wieder mit den Studenten diskutiert, nie aber etwas angeschrieben hat. Da stellen Lehrbuecher den Stoff doch besser dar. Die Atomphysik ist auch recht langweilig, zwar mit Tafelbild aber doch etwas einfach gestrickt, auch die bisher erteilten Hausaufgaben. Besser ist da der Dozent fuer statistische Physik, da muss ich im neuen Jahr sogar mal etwas fuer tun, besonders wenn es dann Hausaufgaben gibt. Meine Mathevorlesungen in mathematischer Physik und Partiellen Differentialgleichungen scheinen zwar auch nicht schlecht zu sein, fanden aber auch mehrfach schon nicht statt. Da werde ich mich naechstes Jahr wohl etwas mehr auf mein „Projekt“ konzentrieren, dass eigentlich erst im zweiten Semester ansteht, und eine Art Forschungspraktikum ist. Ich werde wenn alles klappt in Zusammenarbeit mit der Uni Bremen, die spektroskopische Messungen der Luftverschmutzung in der Atmosphaere machen und ein automatisiertes Geraet in Nairobi haben, die Ozonmessungen von verschiedenen Satelliten fuer Nairobi mit denen dieses Geraetes vergleichen. Die Physiker, die hier in der Spektroskopie arbeiten werden mich dabei betreuen und schienen auch daran interessiert Kontakte mit den Bremer Physikern aufzubauen. Insgesamt scheinen mir hier die Doktoranden und Postdocs, die mal fuer einige Zeit in Europa waren noch die engagiertesten und am ehesten an Kooperationen interessiert. Doch wahrscheinlich wird ihnen die hiesige Uni-Buerokratie (in Deutschland ist es ja schlimm genug, aber die Sachen klappen wenigstens in einem akzeptablen Zeitrahmen) auch noch die Lust vermiesen und sie lassen sich Abwerben oder passen sich an.
So weit erstmal, hoffentlich schreibe ich in der naechsten Mail etwas positiver ueber die Uni, oder finde zumindest etwas mehr Zeit die Gruende fuer diese Probleme zu reflektieren.

Ich hoffe ihr hattet alle ruhige Festtage und wuensche euch einen guten Start ins neue Jahr,

Euer,
Jonas

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