Jonas Lähnemann
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Krieg um Wasser oder Frieden für Wasser? (April 2002)

Die Wasserknappheit in Israel und ihr Einfluss auf den Nahostkonflikt

Bei vielen Kriegen der vergangenen Jahrzehnte kann man die Ursachen auf Konflikte um Zugang zu Ölquellen zurückführen. Allen voran dient der Golfkrieg als Beispiel hierfür und die Taliban in Afghanistan wurden von den USA aus Ölinteressen an die Macht bugsiert. Seit Jahren wird auch davor gewarnt, dass Wasserreserven ein ebensolches Konfliktpotential haben. Während Öl die Grundlage unserer modernen High-Tech Welt ist, ist Wasser die Grundlage für Leben überhaupt. In Deutschland werden Probleme mit der zukünftigen Wasserversorgung am ehesten aufgrund der Verschmutzung der Ressourcen aufkommen. In anderen Regionen der Welt mit begrenzteren Reserven ist jedoch durch Bevölkerungswachstum und Mismanagement schon seit einiger Zeit die ausreichende Versorgung mit Trinkwasser in Frage gestellt. Ein besonders komplexes Beispiel hierfür stellt der Nahe Osten dar, wo nicht nur weitere Konfrontationen über Wasserquellen zu erwarten sind, sondern dieses Thema schon seit Jahren die bestehenden Konflikte schürt.

Nehmen wir als Beispiel Israel, ein "entwickeltes Land", in dem deshalb auch der Wasserverbrauch höher ist als in den arabischen Nachbarstaaten - auch technische Vorteile bei Einsparmöglichkeiten machen dies nicht wett. Immigration und Bevölkerungswachstum tun ihr übriges.
Das Tote Meer schrumpft seit Jahren, da bis zur Mündung fast alles Jordanwasser abgepumpt wird. Während nur noch saisonal Regenwasser aus den anliegenden Wadis nachfliesst, verdunstet 400 Meter unter dem Meeresspiegel immer mehr von diesem tiefsten Salzsee der Erde. Genaugenommen besteht das Tote Meer bereits aus zwei Teilen, wobei ein Kanal dem südlichen Teil, mit den Verdunstungsbecken der israelischen Dead Sea Works und dem Hotelresort, Wasser zuführt - dazwischen ist ein Abschnitt völlig ausgetrocknet. Ähnlich ist es mit dem See Genezareth. An den öffentlichen Stränden ist es sichtbar wie sich die Wasserlinie in den letzten Jahren verändert hat: ehemalige Uferbauten stehen inzwischen dutzende Meter vom Wasser entfernt. Am See Genezareth beginnt der "National Water Carrier", ein Kanal der Zentralisrael und den nördlichen Negev mit Wasser versorgt. Letztes Jahr wurde so viel Wasser abgeführt, dass das Wasserlevel erstmals die "Rote Linie" unterschritt. Ab diesem Punkt garantieren Wissenschaftler nicht mehr für die Stabilität des Sees. Sie warnen vor einem möglichen abnehmen der Trinkwasserqualität - eine Gefahr die bei der ohnehin schon knappen Versorgungssituation nicht riskiert werden darf.
Auch die Grundwasserreserven an der Mittelmeerküste werden so stark beansprucht, dass durch Versalzung die Qualität des Wassers leidet. Weiteres Abpumpen könnte durch nachfliessendes Mittelmeerwasser zur vollständigen Zerstörung dieser Reservoirs führen.
Die Knappheit ging im letzten Jahr so weit, dass unter anderem die Bewässerung privater Gärten - unter Androhung hoher Geldstrafen - auf die Abend- und Morgenstunden beschränkt war. Ähnliches galt für Autowaschen und auch in der landwirtschaftlichen Bewässerung gab es Einschränkungen.
Diese Probleme sind schon seit Jahren bekannt und haben derzeit nur einen neuen Höhepunkt erreicht. Doch wirkliche Lösungen sind noch nicht vorhanden. Meerwasserentsalzung wurde schon seit langem angedacht und entwickelt, aber bisher wurde diese teure Technologie nur exportiert und die Umsetzung eines Projektes im eigenen Land hinausgezögert. Der Wasserpreis würde zwar zwingend steigen, doch müssen dringend neue Wasserquellen erschlossen werden. Auch wird dies nicht die entgültige Lösung der Problematik sein, sondern nur eine Entschärfung, die mit Einsparungen und anderen Maßnahmen einhergehen muß. Zwischenzeitlich wurde bereits überlegt, als mittelfristige Lösung per umgerüstetem Tankschiff Wasserlieferungen aus der befreundeten Türkei durchzuführen, wo hierfür bereits ein Terminal gebaut wird.

In der zionistischen Tradition sind Landwirtschaft und die Begrünung der Wüste im "Heiligen Land" noch immer zentrale Elemente, womit auch ein hoher Wasserverbrauch einhergeht. Eine eigentlich nötige Einschränkung des Agrarwesens wird vermieden, da man negative Auswirkungen auf das nationale Bewusstsein befürchtet. Die frühen Kibbutzim, die eine wichtige Rolle bei der Ansiedlung jüdischer Einwanderer spielten, waren landwirtschaftliche Kommunen - die Autarkie in der Lebensmittelproduktion wichtig für den entstehenden Staat. Praktisch hat sich in den letzten 50 Jahren aber viel geändert. Bei den meisten Kibbutzim ist die Landwirtschaft nur noch Nebenerwerbsquelle gegenüber den Industriebetrieben. Trotz grossen Erfolgen aufgrund des sonnenreichen Klimas und Exporten von Schnittblumen und Gemüse stellt die Landwirtschaft nur einen minimalen Anteil der Wirtschaftskraft (1999 waren es 2,5 % des Bruttoinlandprodukts), die vor allem im High-Tech Sektor (1999 70% des BIP) liegt. Da bereits die meisten verbrauchten Lebensmittel importiert werden ist auch die angeblich nötige Autarkie in diesem Bereich heutzutage kein Argument mehr. Ungeachtet dessen ist das Agrarwesen der größte Wasserverbraucher Israels - das meiste in Trinkwasserqualität. Aufgrund subventionierter Wasserpreise können sogar noch Baumwolle und andere wasserintensive Pflanzen gewinnbringend angebaut werden.

Wie wirkt sich die Wasserknappheit auf den Nahostkonflikt aus?
Bei genauer Betrachtung der Geschichte des Staates Israel kann man bereits bei den vergangenen Kriegen Wasserinteressen - zumindest auf israelischer Seite erkennen. So versuchte Israel in den Sechziger Jahren Wasser aus der entmilitarisierten Zone an der Grenze zu Syrien abzuführen, worauf diese Bauarbeiten angegriffen wurden. Israel entschied sich dann für den Bau des "National Water Carriers" direkt vom See Genezareth aus. Als Antwort auf die Abführung des galiläischen Wassers in den Rest Israels begannen die Syrer einen der Zuflüsse des Sees im Golan durch einen Kanal umzuleiten, um das gesamte Wasser in Syrien zu behalten. Israel verhinderte den Bau durch Luftangriffe. Diese gegenseitigen Provokationen und Scharmützel waren eine der Ursachen für den Ausbruch des 6-Tage Krieges 1967 in dessen Verlauf Israel den Golan, den Sinai, sowie Westbank und Gazastreifen besetzte. Nicht unbedingt ein Zufall: heute kommen große Teile des israelischen Wassers aus den im Golan entspringenden Zuflüssen des Jordan und aus den Grundwasserreserven der Westbank.

Der eigentliche Zentralpunkt des Nahostkonflikts und derzeit am brisantesten sind die Westbank und der Gazastreifen. Die Grundwasserreserven der Westbank werden seit der Besetzung größtenteils von Israel abgepumpt und in den Siedlungen verbraucht oder in israelische Städte geleitet. Die Palästinenser bekommen so gut wie keine Genehmigungen zum Graben neuer Brunnen. Während Siedler weniger für Wasser bezahlen als andere Israelis und in vielen Siedlungen die Gärten grünen und Swimmingpools vorhanden sind, ist in den umliegenden palästinensichen Dörfern und Städten kaum der Grundbedarf an Trinkwasser gewährleistet und Palästinenser zahlen trotz geringerem Durchschnittseinkommen einen weitaus höheren Wasserpreis. Die Wasserknappheit bei den Palästinensern, bei denen selbst in den Städten oft nur wenige Stunden am Tag Wasser aus der Leitung kommt, führte zum Aufleben eines Schwarzmarktes. Wie Menschenrechtsorganisationnen herausfanden, sichern sich selbst extreme Siedler einen lukrativen Nebenverdienst indem sie billiges Wasser mit hohem Gewinn an Palästinenser verkaufen, die nicht genügend Wasser haben. Diese Informationen wurden nie in großem Stil veröffentlicht, da die Palästinenser befürchteten bei Unterbindung des Schwarzmarktes nicht mehr an ausreichend Wasser zu kommen. Einige Siedler schlagen also auch noch Gewinn aus der ungerechten Wasserverteilung
Im Laufe der derzeitigen Intifada wurde durch die israelische Armee immer wieder die palästinensische Wasserinfrastruktur beschädigt, Tanklaster konnten aufgrund der vielen Strassensperren zeitweise nicht in Dörfer ohne Wasseranschluß gelangen, und wo eine Anbindung ans Wassernetz vorhanden ist wurde diese zeitweise abgesperrt: Formen der Kollektivstrafe die nach Anschlägen auch in anderen Bereichen immer wieder angewendet werden, auch wenn sie nach internationalem Recht verboten sind.
Kaum beachtet in der Öffentlichkeit stellt die Wasserfrage, neben Jerusalem und dem Rückkehrrecht für palästinensische Flüchtlinge, einen der Knackpunkte im israelisch-palästinensischen Friedensprozess dar. Einerseits kann Israel derzeit nicht ohne das Wasser der Westbank auskommen, andererseits fordern die Palästinenser für ihren eigenen Staat auch die Hoheit über ihre Wasserreserven um eine ausreichende Versorgung der eigenen Bevölkerung sicherzustellen. Bei den gescheiterten Verhandlungen in Camp David weigerte sich Israel unter anderem einige der größeren Siedlungsblöcke zu räumen, die nicht nur eine territoriale Kontinuität innerhalb der Westbank verhindern würden, sondern direkt über Grundwasservorräten liegen. Die größte Siedlung, Ariel, liegt genau über einem der ergiebigsten Reservoirs. Bei gemeinsamer Nutzung müßten genaue Regelungen getroffen werden, damit die Vorräte nicht durch Übernutzung zerstört werden. Jedoch wird solch eine Regelung durch den Wasserbedarf beider Seiten erschwert. So hat diese Frage zum Scheitern bisheriger Verhandlungen beigetragen und wird auch in Zukunft ein Hindernis für den Friedensprozeß sein.

Die Besetzung des Golan und seine Annektierung, sowie das Scheitern von Friedensverhandlungen mit Syrien, werden allgemein auf die strategische Bedeutung des Golan im Verteidigungsfall zurückgeführt - dessen erhöhte Position den Überblick über weite Teile des nördlichen Israels bietet. Doch schon in den 60ern und auf alle Fälle heute sind die Waffensysteme so weit fortgeschritten, dass solche strategischen Positionen an Bedeutung verloren haben und die Anhöhe keine Barriere mehr ist. Die Wasserinteressen jedoch haben sich verschärft. Schon bei der Besetzung waren die dortigen Wasserreserven für Israel von enormer Bedeutung und heute wird selbst mit diesem Wasser der Bedarf nicht gedeckt. Während für Syrien 1967 die Quellen des Golan weniger wichtig waren hat sich auch in diesem Land - unter anderem durch Bevölkerungswachstum und Streitereien über das in der Türkei entspringende Wasser des Euphrat - der Bedarf erhöht. So spielten die Wasserinteressen eine entscheidende Rolle im Scheitern der Friedensverhandlungen zwischen Israel und Syrien unter der Barak-Regierung.
In Verhandlungen mit Ägypten ging das Prinzip Land gegen Frieden schon vor über 20 Jahren auf. Der zurückgegebene Sinai hat jedoch keinerlei Bedeutung im Bereich der Wasserreserven. Als 1994 der jordanisch-israelische Friedensvertrag unterschrieben wurde befassten sich zwei der Anhänge mit Wasserregelungen - neben leichten Veränderugen der Grenzziehung einer der Hauptpunkte des Vetrages. Eine der Regelungen spricht Jordanien das Recht auf 25 Millionen Kubikmeter des Wassers aus dem See Genezareth zu - eine geringe Menge angesichts des israelischen Wasserverbrauchs von über 1600 Millionen Kubikmetern.
Auch zwischen anderen Ländern in der Region gibt es Konflikte über Wasserrechte. So entspringt der Syrien und den Irak versorgende Euphrat auf türkischem Territorium.

Ist eine Lösung in Sicht?
Laut einer Analyse der Universität in Beer Sheva kann keine einzelne Maßnahme als Lösung für das Wasserproblem in Israel dienen. Es muss eine Kombination der drei erläuterten möglichen Ansätze geben. Schon sehr kurzfristig durchzuführen ist eine verbesserte Ausnutzung der Einsparmöglichkeiten, wobei das größte Potential in der Landwirtschaft liegt, wo Reformen dringend nötig sind. Unter anderem ein Aufheben der Wasserpreissubventionen für die Landwirtschaft und eine verstärkte Nutzung von geklärtem Abwasser anstelle von Trinkwasser. Als nächster Schritt wird ein Wasserimport, vorläufig per Tankschiff aus der Türkei, nicht zu umgehen sein und schließlich müssen endlich Meerwasserentsalzungsprojekte umgesetzt werden.

Wie in den Betrachtungen über den Einfluss der Wasserfrage auf die verschiedenen Stufen des Nahostkonflikts klar wird reicht eine nationale Lösung jedoch nicht aus. Dieses Problem schürt den Konflikt und birgt die Gefahr kriegerischer Auseinandersetzungen, die jedoch nur kontraproduktiv wären und zur Bewältigung nicht beitragen können. Es ist eine friedliche übernationale Lösung nötig um die Interessen der verschiedenen Länder der Region zu berücksichtigen. Neben extremer Sparsamkeit in allen Ländern - bei Austausch des technischen Wissens - könnten Entsalzungsanlagen gemeinsam gebaut und betrieben werden um die hohen Kosten und Fachwissen zu teilen und außerdem könnten die ausreichenden Reserven der Türkei, vielleicht auch Ägyptens, einbezogen werden. So wäre eine Pipeline aus der Türkei nach Syrien und Israel realisierbar, was bei der bisherigen politischen Situation nicht möglich ist.
Der kürzlich vorgebrachte saudische Friedensvorschlag weckt hier Hoffnungen: Ein Frieden zwischen Israel und allen arabischen Ländern unter Schaffung eines palästinensischen Staates würde auch die Tore für Kooperationen im Bereich der Wasserversorgung öffnen. Dies ist nicht nur eine Chance sondern sogar eine Notwendigkeit, die praktikabler wäre als eine rein israelisch-palästinensische Lösung. Israel sollte unter anderem deshalb unbedingt positiver auf diesen Vorschlag eingehen und die internationale Gemeinschaft sollte ihn stärker unterstützen. So könnte aus dem Kriegspotential der Wasserproblematik ein wichtiger Pfeiler für eine friedliche Lösung werden.

Jonas Lähnemann

Der Autor arbeitet derzeit im Rahmen eines Zivildienstes im Ausland in einer Behindertenschule in Jerusalem und mit Shoah-Überlebenden.

erschienen in der grünes blatt 1-2002.

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